Im
letzten Brief war von dem Schiffscontainer die Rede, der mit
Hilfsgütern aus dem ganzen Oberland beladen worden war und dank
großherziger Spenden vieler deutscher Freunde und Geldleihen
nigerianischer Freunde endlich doch noch nach Owerri gelangen konnte.
Father
Gerald schickt uns hiervon Fotos und einen bewegenden kleinen
Videoclip: In einem dunklen Raum ist eben dem alten Silvester Ibe von
seinem Lager aufgeholfen worden. Jetzt lässt er sich draußen vom Pfarrer
über den Lehmboden rollen, blinzelt und sagt in seiner Sprache: „Ich
bin sehr glücklich, dass ich nochmal nach draußen kommen kann. Seit
langem bin ich nur im Zimmer auf meinem Bett. Ich genieße die Sonne.
Danke, vielen Dank von Herzen nach Deutschland.“
Überraschung
und Freude sind auch groß bei den Frauen, die zur wöchentlichen
Reisausgabe der Kirche gekommen sind, wie immer in Flipflops oder
barfuß: Diesmal gibt es auch Schuhe.
In Owerri sind viele bedürftige Menschen angewiesen auf Hilfe von außen.
Owerri – Stadt in Biafra
Die
Stadt hat über eine halbe Million Einwohner und ist damit so groß wie
Hannover oder Dresden. Sie liegt im Südosten von Nigeria, im Bundesstaat
Imo und damit im Westen der einstigen Republik Biafra.
Drei
Jahre nur war Biafra ein eigener Staat. 1967 erklärte es seine
Unabhängigkeit von Nigeria, welches schon nach kurzer Zeit
einmarschierte, vor allem aber eine folgenreiche Blockade verhängte. Die
Bilder abgemagerter Kinder wurden weltweit zum Zeichen von Hunger
schlechthin. Keine drei Jahre später, nach Massakern und Hungertod, war
der junge Staat mürbe und kapitulierte. Etwa eine Million Menschenleben
hatte der Krieg gekostet. 1970 wurde Biafra wieder in das von den Briten
zurückgelassene künstliche Staatengebilde Nigeria eingegliedert. Doch
das Streben nach Unabhängigkeit dauert bis heute an.
Man
fühlt sich von der Regierung nicht unterstützt oder auch nur beschützt.
So dringt der Terror von Boko Haram und Fulani Herdsmen immer weiter in
den christlichen Süden vor und kostet Menschenleben. Viele junge
Flüchtlinge berichten davon und erklären, wie in ihren Familien am
Streben nach Unabhängigkeit festgehalten wird, wie eine neue Bewegung
dafür entstanden ist – und wie heute, vor allem unter Studenten, bei
Protesten immer wieder Biafra-Aktivisten erschossen werden.
Der
Teil Nigerias, in dem Owerri liegt, ist derzeit also in einer sehr
nervösen Verfassung. Und im kommenden Jahr stehen Wahlen an.
Rolle des Kirchenvertreters
Ende
Mai ist in der „Weekly Sunrise Nigeria“ ein Artikel erschienen, in dem
gezeigt wird, welche Rolle Father Gerald im Hinblick auf die kommenden
Wahlen zugeschrieben wird. Er will im Vorfeld Gelegenheiten für einen
demokratischen Austausch der politischen Exponenten schaffen, er will
die Menschen zur Nutzung ihres Stimmrechts ermutigen und dann während
der Wahl alles tun, was er zu einem friedlichen Verlauf beitragen kann.
Sein
Büro möglichst bald funktionstüchtig zu haben, begründet er in einem
kurzen Videoclip besonders damit, dass hier schon bald auch politische
Treffen stattfinden sollen. Er rechnet damit, aufgesucht und gehört zu
werden, um klar zu stellen: „Obwohl Nigeria reich ist, gibt es so viele
arme Menschen. Das ist katastrophal. Und das Morden der Terroristen muss
aufhören. Wir müssen zusammen arbeiten.“
Erzbistum Owerri
Dabei
kann Father Gerald auf die Bedeutung der Kirche setzen. Denn er ist –
mit etwa 300 weiteren Priestern – Vertreter einer großen Diözese. 1994
wurde das 1948 eingerichtete Vikariat zum Erzbistum erhoben und betreut
heute ein Gebiet von etwa 3.000 Quadratkilometern, etwa zehn mal die
Stadt München.
Die Kirche besitzt auch Grundstücke. Zwei von
ihnen kann der Pfarrer für seine „Kommission für Gerechtigkeit,
Entwicklung, Frieden und Caritas“ nutzen. Was fehlt, ist jedoch ein
Auto, um von einem Platz zum anderen zu gelangen. Auf dem einen
Grundstück steht ein kleines Gebäude, welches saniert werden müsste, um
daraus etwa eine Werkstatt zu machen. Das andere Grundstück ist frei.
Noch frei.
Der Traum: eine Berufsschule
Doch
Father Gerald hat eine Vision. Wenn eine Berufsschule auf diesem Boden
entstehen könnte, dann würde für die Jugendlichen in seiner Umgebung
immerhin eine Zukunftsperspektive geschaffen. Er sieht, wie viele
Familien ihr Land verkaufen und die Söhne wegschicken nach Norden, im
besten Falle nach Europa. In den Jahren in München hat er Hunderte Ibo
kennengelernt, die nach Bildung streben und danach, eingesetzt zu
werden.
Im Land der Hausa, im Norden Nigerias, haben junge
Menschen von Staats wegen andere Entwicklungsmöglichkeiten, sagt er.
Hier im Land der überwiegend christlichen Ibo sorgt immerhin die Kirche
mit zahlreichen Primary- und Secondary-Schools für eine gewisse
Grundbildung. Doch ab dem 16. Lebensjahr stehen die Jugendlichen ohne
weitere Ausbildungsmöglichkeit da. Dabei bringen sie viel mit:
technologisches Interesse, landwirtschaftliche Erfahrung und
Geschicklichkeit im Textilhandwerk – alles Fähigkeiten, die vertieft
werden könnten.
Termin bitte vormerken!
Die
Ideen von Father Gerald konkretisieren sich von Woche zu Woche. Im Juli
wird er in Deutschland sein. Und wir können ihn hören:
Sie sind herzlich eingeladen zum Vortrag am
MO, 16. Juli 2018, 19.30 Uhr
im Pfarrzentrum Christkönig Penzberg